Chinesischer Botschafter in Deutschland im Interview mit „WirtschaftsWoche" (Volltext)
2021/02/26
 

(Quelle: wiwo.de)

WirtschaftsWoche:Herr Botschafter, ganz Europa und vor allem Deutschland jubelt, dass Joe Biden jetzt Donald Trump im Weißen Haus abgelöst hat. Jubeln Sie auch?

Botschafter WU: Sie wissen, dass die Beziehungen zwischen China und den USA in den vergangenen Jahren unter der Regierung von Herrn Trump recht schwierig waren. Einige seiner Regierungsmitglieder haben die Denkmuster des Kalten Krieges benutzt und versucht, China einzudämmen. Dennoch gab es immer auch Bemühungen um gute Beziehungen. Wir hatten 2020 vier neue Städtepartnerschaften in den USA und nach einer Umfrage der US-Handelskammer in China sagten 87 Prozent der US-Unternehmen, dass sie keine Pläne haben, ihre Produktion aus China zu verlagern.

WirtschaftsWoche: Die Frage lautete, ob Sie sich über den Sieg von Joe Biden freuen?

Botschafter WU: Die Amtseinführung der Biden-Administration ist ein Schlüsselmoment für die Beziehungen zwischen China und den USA. Vor uns liegen große Chancen und Herausforderungen, aber noch wissen wir nicht, in welche Richtung sich das entwickelt. Das ist eine wichtige Aufgabe für beide Länder.

WirtschaftsWoche: Zumindest das transatlantische Verhältnis wird sich mit Joe Biden rasch wieder verbessern. Das dürfte nicht in Ihrem Sinn sein…

Botschafter WU: Unser Ziel ist es, die Beziehungen insgesamt auf einen vorhersehbaren und konstruktiven Entwicklungspfad zu bringen. Wir wollen friedliche Koexistenz und Win-Win-Situationen zwischen China und den USA – und das dürfte auch den Erwartungen der EU entsprechen.

WirtschaftsWoche: Allerdings gibt es in der EU und auch in Deutschland viele, die hoffen, zusammen mit den USA eine Art „Handels-Nato" als Gegengewicht zu China bilden zu können.

Botschafter WU: Ich denke, dass eine bipolare Welt weder im chinesischen noch im europäischen Interesse liegt. Gerade Europa sollte gemeinsam mit China Förderer einer multipolaren Weltordnung sein. Das betrifft auch die Frage, inwieweit die EU eigenständig handeln will. Ich glaube, dafür gilt auch der Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Wir Europäer müssen unser Schicksal in unsere eigene Hand nehmen".

WirtschaftsWoche: Die Entwicklung geht aber gerade in eine andere Richtung. Joe Biden will mit Europa zusammen eine westliche Einheits-Front gegen China bilden, das hat er jetzt mehrfach gesagt. Und Ihr Präsident spricht ja auch schon vom „neuen kalten Krieg".

Botschafter WU: Staatspräsident Xi Jinping hat jüngstens bei Davos davor gewarnt und gesagt, dass eine gespaltene Welt die großen Herausforderungen unserer Zeit nicht bewältigen kann. Ein Konfrontationskurs würde uns nur in eine Sackgasse führen. Ich habe auch den Eindruck, dass diese Meinung in Europa und insbesondere in Deutschland geteilt wird, denn gerade hier hat man doch die schmerzlichsten Erfahrungen mit dem Kalten Krieg gemacht. Wir lehnen ihn ebenso ab wie eine Entkoppelung der Wirtschaft und wir hoffen, dass die USA auch zu dieser Einsicht gelangen. Die Denkmuster des Kalten Krieges sind nicht mehr zeitgemäß. China will eine multipolare Welt, nur so lassen sich große Probleme wie Klimawandel und Corona-Pandemie lösen.

WirtschaftsWoche: Das sehen die USA offenbar anders. Bidens Leute suchen in Europa gerade Unterstützung für einen Boykott der Olympischen Spiele 2022 in Peking.

Botschafter WU: Sprachliche Härte ist keine gute Diplomatie. Probleme lassen sich nur im Dialog lösen, nicht in der Konfrontation. Staatspräsident Xi hat in seinem Gratulationsschreiben an Präsident Biden den Wunsch geäußert, wieder besser zusammen zu arbeiten und die Beziehungen auf einen konstruktiven Kurs zu führen, ohne Konflikt und Konfrontation und mit gegenseitigem Respekt.

WirtschaftsWoche: Dazu passt aber nicht der Boykott der olympischen Spiele….

Botschafter WU: Die Frage der Winterolympiade 2022 in Peking sollte nicht politisiert werden. Die Athleten aus allen Ländern freuen sich auf die Spiele und die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.

WirtschaftsWoche: Den Anlass für die Vorbereitung eines Boykotts liefert China selber. Es geht um die Menschrechtsverletzungen in Ihrem Land, die Niederschlagung der Demokratiebewegung in Hongkong und vor allem die Unterdrückung der Uiguren. Dagegen protestieren auch viele NGOs.

Botschafter WU: Ich habe den Eindruck, egal was die chinesische Regierung tut, kommen westliche Medien schnell zum Urteil: Peking unterdrückt. Zu dieser Zeit vor einem Jahr schrieben deutsche Zeitungen, dass China mit dem Lockdown seine Bevölkerung unterdrücke. Die Wahrheit ist aber eine andere. Das gilt auch für die Berichterstattung über die Minderheitenpolitik Chinas. Alle ethnischen Gruppen in China sind gleichberechtigt und Diskriminierung und Unterdrückung jeglicher ethnischen Gruppe sind verboten. …

WirtschaftsWoche: Aber Herr Botschafter, wollen Sie ernsthaft behaupten, dass diese ganzen Berichte, die teilweise von Augenzeugen stammen, frei erfunden sind?

Botschafter WU: Wenn man mit den Angehörigen der ethnischen Minderheiten in China vor Ort spricht, erhält man sicher ein ganz anderes Bild als das, was von anti-chinesischen „Schauspielern" der Weltöffentlichkeit glauben machen wollen.

WirtschaftsWoche: Das klingt wie Propaganda aus dem Kalten Krieg. Sie bleiben also bei der Aussage, dass die Unterdrückung der Uiguren in Ihrem Land reine westliche Propaganda ist?

Botschafter WU: Das ist eine Lüge, die von anti-chinesischen Politikern wie Herrn Pompeo verbreitet worden ist.

WirtschaftsWoche: Zwangsarbeit und die Umerziehungslager sind auch Erfindungen?

Botschafter WU: Die so genannte Zwangsarbeit ist ein Schlagwort der gezielten Schmähkampagne gegen China. In Xinjiang, wie auch in anderen Teilen Chinas, beruhen die Arbeitsverhältnisse auf freiwillig abgeschlossenen Arbeitsverträgen. Im Zusammenhang mit Xinjiang müssen Sie aber sehen, dass es dort von 1990 bis 2016 Tausende Terroranschläge gab. Unsere Sicherheitskräfte sind im Rahmen der Gesetze dagegen vorgegangen und zugleichen setzen wir auf Deradikalisierung und Berufsausbildung. Jetzt besuchen wieder Millionen Touristen die Provinz und darunter auch viele Ausländer.

WirtschaftsWoche: Dann haben Sie sicher nichts dagegen, wenn die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte das Autonome Gebiet Xinjang besucht.

Botschafter WU: Xinjang ist eine offene Region und es gibt nichts, was man nicht sehen darf. Auch ausländische Besucher sind willkommen um sich dort mit eigenen Augen ein Bild zu machen. In den letzten Jahren haben mehr als 1200 Vertreter aus mehr als 100 Ländern Xinjiang besucht…

WirtschaftsWoche: … aber die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte noch nicht.

Botschafter WU: China hat schon vor langer Zeit eine Einladung ausgesprochen und sie ist nicht gekommen. Wir sind aber gerade dabei, mit dem UN-Hochkommissariat über die Details eines Besuchs zu sprechen. Wir haben auch Vertreter der EU eingeladen, aber sie haben uns bis jetzt warten lassen.

WirtschaftsWoche: Was ist mit den Umerziehungslagern in Xinjiang?

Botschafter WU: Es gab und gibt keine sogenannten „Umerziehungslager" in Xinjiang. Was wir hatten, waren gesetzesmäßig eingerichtete Berufsbildungszentren. …

WirtschaftsWoche: Dem widersprechen unzählige Augenzeugen. Sie sprechen von Lagern.

Botschafter WU: Ich muss leider sagen, dass sehr viel gelogen worden ist. Viele selbsternannte Augenzeugen waren nicht einmal in Berufsausbildungszentren. Mit den Zentren wurde der Nährboden für religiösen Extremismus ausgetrocknet und den von Extremismus gefährdeten Menschen zu einer besseren Zukunft verholfen

WirtschaftsWoche: Gerade eben haben Sie noch von Berufsausbildungszentren gesprochen.

Botschafter WU: Ja, die unterschieden sich nicht wesentlich von den „Anti-Extremismus-Zentren" in Frankreich oder ähnlichen Einrichtung in den USA. Durch die Maßnahmen ist die Situation in Xinijang sehr verbessert worden, es gab seit vier Jahren keinen Terroranschlag mehr. Ende 2019 hatten alle Teilnehmer an den Kursen in den Berufsbildungszentren Abschlüsse gemacht und die meisten von ihnen haben Arbeitsplätze gefunden.

WirtschaftsWoche: Die Menschenrechtsfrage gehört zur derzeit laufenden Debatte über die politische Positionierung der USA, Chinas und der EU. Europa fürchtet, im Ringen dieser beiden Supermächte zerrieben zu werden nach dem Motto „für uns oder gegen uns". Können Sie verstehen, dass sich Europa nicht nur auf eine Seite stellen will?

Botschafter WU: China betrachtet Europa als wichtigen Partner und nicht als Rivalen. Unsere wichtigste gemeinsame Aufgabe ist die Lösung der globalen Probleme und die Schaffung einer multipolaren Welt. China ist stets bereit, den europäischen Integrationsprozess zu unterstützen, der EU bei der Stärkung ihrer strategischen Autonomie beizustehen. Mit mehr Kooperation können die EU und China mehr Stabilität und Wohlstand schaffen.

WirtschaftsWoche: Aber wenn Sie Kooperation statt Rivalität wollen, warum ist dann das 17plus 1-Format geschaffen worden? Viele sehen es als Pekings Instrument zur Unterwanderung der EU.

Botschafter WU: Diese Plattform ist für eine überregionale Zusammenarbeit zwischen China und mittel- und osteuropäischen Ländern geschaffen worden; sie ist offen, transparent und inklusiv. Vertreter der EU werden immer zum Gipfel eingeladen. Schauen Sie, das Handelsvolumen zwischen China und Deutschland beträgt fast 200 Milliarden Euro, wohingegen das Volumen zwischen China und den 17 Ländern noch nicht einmal 100 Milliarden Euro beträgt. Wenn wir im Rahmen dieses Formats mit diesen Ländern mehr zusammenarbeiten, dient das letztlich einer ausgewogenen Entwicklung in ganz Europa.

WirtschaftsWoche: Aber ist nicht auch das Seidenstraßenprojekt, bei dem EU-Länder wie Italien und Griechenland mitmachen, eine Initiative zur Spaltung Europas?

Botschafter WU: Ziel der neuen Seidenstraße ist, ein großes Wirtschaftsprojekt zum Wohl aller zu schaffen. Ich kann nicht nachvollziehen, wie China von einem gespalteten Europa profitieren kann und es liegt auch nicht in unserem Interesse. Schließlich ist die EU einer der größten Handelspartner Chinas und seit Jahrzenten pflegt China ein jährliches Gipfeltreffen mit der EU.

WirtschaftsWoche: Wenn China so viel Partnerschaft will, warum setzt sich Ihr Land dann das Ziel, bis 2035 das mächtigste Land der Welt zu sein?

Botschafter WU: Unser erklärtes Ziel ist, bis 2035 die sozialistische Modernisierung zu erreichen. Es geht uns nicht darum, eine Supermacht zu werden. Vielmehr wollen wir in erster Linie alles tun, um das Leben unserer 1,4 Milliarden Menschen in China zu verbessern.

WirtschaftsWoche: Also China will nicht andere Länder dominieren?

Botschafter WU: Nein, das ist nicht unser Ziel.

WirtschaftsWoche: Ihre Impfdiplomatie spricht eine andere Sprache. Produkte wie Biontech werden von Chinas Staatsmedien in Verruf gebracht, es wird von unzähligen Toten zum Beispiel in Norwegen gesprochen, gleichzeitig bietet China seinen Impfstoff von Sinopharm weltweit an, auch in Europa.

Botschafter WU: Was chinesische Medien zitieren, steht auch längst in den westlichen Medien. Während sich gerade viele Länder um Impfstoffe streiten, bietet China Zusammenarbeit an, auch für Länder, die über keinen eigenen Impfstoff verfügen. Für uns ist ganz klar, dass die Entwicklung des Impfstoffs kein Wettbewerb unter den Nationen ist, sondern ein Kampf der Nationen gegen das Virus.

WirtschaftsWoche: Warum dann die Propaganda gegen Biontech und andere europäische Hersteller?

Botschafter WU: Wir haben keine Propaganda gemacht, sondern wir stehen in enger Kooperation mit der Weltgesundheitsorganisation WHO, um Impfstoffe auch den ärmeren Ländern als globales öffentliches Gut anbieten und erschwinglicher machen zu können. Bislang ist laut WHO in 130 Ländern der südlichen Welt noch niemand geimpft worden, da muss dringend etwas passieren.

WirtschaftsWoche: Trotz aller Differenzen haben sich China und die EU nach jahrelangen Verhandlungen jetzt auf ein Investitionsabkommen geeinigt. Was war aus Ihrer Sicht der schwierigste Punkt?

Botschafter WU: Das Abkommen ist ein großer Erfolg für alle Beteiligten und es eröffnet jetzt riesige Chancen für deutsche und europäische Unternehmen in China. Wir sehen es deshalb auch als Impulsgeber für die Erholung der Weltwirtschaft nach der Pandemie, weil es zahlreiche bislang bestehenden Investitionshemmnisse beseitigt.

WirtschaftsWoche: Was sind kurz gesagt die wichtigsten Punkte?

Botschafter WU: Wir haben eine Einigung in vier wichtigen Bereichen gefunden, nämlich bessere Marktzugangsverpflichtungen, klare Wettbewerbsregeln, die Betonung der nachhaltigen Entwicklung und neue Regeln für die Streitbeilegung.

WirtschaftsWoche: Was war aus Ihrer Sicht das größte Zugeständnis der chinesischen Regierung an die EU?

Botschafter WU: Das ist ein hochwertiges, ausgewogenes Abkommen und schafft eine klassische Win-win-Situation. Es sieht ein Managementsystem für ausländische Direktinvestitionen in Sektoren vor, die früher nicht zur Verfügung standen, vor allem im Bereich Dienstleistungen, zum Beispiel bei Finanzen, Cloudservices und privater Gesundheitsvorsorge, aber auch im internationalen Seeverkehr. Einen offenen Marktzugang in China gibt es jetzt auch für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben.

WirtschaftsWoche: Fiel Ihrer Regierung nicht der Verzicht auf den Joint-Venture-Zwang besonders schwer?

Botschafter WU: Seit dem Beitritt Chinas 2001 zur WTO wird die Joint-Venture-Pflicht schrittweise gelockert. Ende 2017 waren bereits 2/3 deutsche Unternehmen 100% ausländisch finanziert. Chinas Tür zur Welt wird immer breiter sein.

WirtschaftsWoche: Das Abkommen muss noch vom EU-Parlament ratifiziert werden, wo es nur so Kritik hagelt. Es wird mit Sicherheit zahlreiche Änderungswünsche bei den Nachhaltigkeitsstandards geben, vor allem im Bereich Arbeits- und Umweltschutz. Haben Sie das bereits eingepreist?

Botschafter WU: Es ist klar, dass sich die Parlamentarier jetzt zu Wort melden, sie waren ja vorher nicht beteiligt, weder das EU-Parlament noch der chinesische Volkskongress. Wichtig ist aber, dass die Verhandlungen jetzt im Grundsatz abgeschlossen sind. China hat mit einem bisher umfangreichsten Angebot seine Aufrichtigkeit an den Tag gelegt. Ein Hinauszögern der Ratifizierung liegt nicht im europäischen Interesse.

WirtschaftsWoche: Lassen Sie denn unabhängige Kontrollen zu, zum Beispiel beim Arbeits- oder Umweltschutz?

Botschafter WU: Wir respektieren die internationalen Normen in diesen Bereichen, halten uns aber in unserem Land an die für uns geltenden Gesetze, so wie das jedes andere Land auch tut. Im Übrigen ist es das erste Mal, dass Arbeitsnormen den Einzug in ein bilaterales Abkommen mit China gefunden haben.

WirtschaftsWoche: Wie sehr können deutsche Unternehmen jetzt darauf vertrauen, bei den öffentlichen Ausschreibungen in China zum Zuge zu kommen? Beim Bau der Netzwerke gingen zuletzt 80 Prozent der Aufträge an chinesische Firmen.

Botschafter WU: Öffentliche Ausschreibungen sind kein Bestandteil unseres Investitionsabkommens. Wir behandeln alle in China registierten Unternehmen einschließlich ausländischen bei der öffentlichen Beschaffung gleich. Derzeit arbeiten wir daran, den Beitrittprozess zum GPA zu beschleunigen. Darüber sprechen wir gerne mit der EU im Rahmen künftiger Freihandelsgespräche.

WirtschaftsWoche: Wo steht der Streit um die Verwendung von Huawei-Komponenten in europäischen Netzen?

Botschafter WU: Wir sehen in diesem Streit wieder eine Kampagne der USA gegen China. Seit 20 Jahren arbeitet Huawei im deutschen Telekommunikationsmarkt. Dieser Erfolg war der Trump-Administration ein Dorn im Auge, weshalb sie mit allen erdenklichen Sanktionen und Drohungen dagegen vorging. Es wird behauptet, dass Bauteile von Huawei unsicher seien, aber es gibt auch nach Jahren nicht den kleinesten Beweis dafür. Die USA wollen ihr Monopol im IT-Bereich mit allen Mitteln verteidigen. Ich hoffe, dass die Bundesregierung weiterhin das Prinzip der offenen Märkte und der Gleichbehandlung hochhält.

WirtschaftsWoche: Deutschland und Frankreich haben mittlerweile so viel Geschäft mit und in China, dass sie sich einen Boykott gar nicht leisten können, wenn sie nicht so enden wollen wie Australien. Sie sind erpressbar geworden.

Botschafter WU: Geschäft basiert auf Gegenseitigkeit und schafft Interdependenz. Als Botschafter muss ich mich hier in Deutschland um ein offenes, faires, und nichtdiskriminierendes Geschäftsumfeld kümmern, aber nicht darum ob eine einzelne Firma ein großes Geschäft macht oder nicht.

WirtschaftsWoche: Es gibt in Europa viele Klagen über die Staatssubventionierung von chinesischen Unternehmen und Investoren. Welche Schritte unternimmt Ihre Regierung, um auf diesem Gebiet wie versprochen mehr Transparenz zu gewährleisten.

Botschafter WU: Transparenz ist das A und O für ein Investitionsabkommen. Wir haben Transparenzpflichten für den Dienstleistungsbereich vereinbart. Außerdem verpflichten sich beide Seiten zu Konsultationen, wenn es zu Unstimmigkeiten über öffentliche Subventionen kommen sollte.

WirtschaftsWoche: Eines der wichtigsten globalen Themen ist der Klimaschutz. Die EU und die USA wollen bis 2050 klimaneutral werden, China erst 2060. Wie viel Konflikt steckt in diesen abweichenden Zielen?

Botschafter WU: Ich sehe darin eher Kooperationspotential statt Konflikt. Staatspräsident Xi hat vor der Uno angekündigt, dass China anstrebe, vor 2060 klimaneutral zu werden und den Höhepunkt der Emissionen 2030 zu erreichen. Dafür werden wir den Waldbestand um sechs Milliarden Kubikmeter erhöhen und die installierte Leistung bei Sonnen- und Windenergie auf über 1200 Gigawatt steigern.

WirtschaftsWoche: Allerdings baut China in den nächsten Jahren mit Abstand auch die meisten Kohlekraftwerke der Welt. Warum können Sie auf Kohle nicht verzichten oder diesen Energiezweig wenigstens verkleinern?

Botschafter WU: Das wichtigste Prinzip im internationalen Klimaschutz ist gemeinsame aber differenzierte Verantwortung. China hat entsprechend seiner Gegebenheiten viele Maßnahmen ergriffen. Der Anteil der Kohle am chinesischen Energiemix ist von 72.4% im Jahr 2005 auf zuletzt 57.7% gesunken. Im 14. Fünf-Jahres-Plan werden wir die Regeln noch verschärfen.

WirtschaftsWoche: Der Volkskongress wird in wenigen Tagen den neuen Fünf-Jahres-Plan verabschieden – auch als Leitlinie für die chinesische Wirtschaft mit globaler Auswirkung. Welche Punkte sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten für die europäischen Unternehmen?

Botschafter WU: China möchte mit diesem 14. Fünf-Jahres-Plan ein Signal der Entschlossenheit für seine Politik aussenden, die Öffnung voranzutreiben und Innovationen zu fördern. Für Deutschland und den Rest der Welt bestehen dadurch mehr Möglichkeiten, an den Früchten der chinesischen Entwicklung teilzuhaben.

WirtschaftsWoche: Was heißt das konkret?

Botschafter WU: Wir haben 1,4 Milliarden Menschen, von denen 400 Millionen zur Mittelschicht zählen. Wir bieten einen riesigen Markt – im vergangenen Jahr haben die chinesischen Verbraucher trotz Corona umgerechnet immer noch mehr als fünf Billionen Euro konsumiert – und 42 Prozent der deutschen Unternehmen konnten beim Gewinn in China zulegen. Und in den nächsten zehn Jahren will China Waren im Wert von 22 Billionen US-Dollar importieren – die Chancen für deutsche Exporteure sind enorm.

WirtschaftsWoche: In welchen Bereichen besonders?

Botschafter WU: Im Bereich der wissenschaftlichen Zusammenarbeit bei digitaler Technologie, Industrie 4.0, künstlicher Intelligenz, autonomem Fahren sowie Biomedizin und Energiesystemen und schließlich bei grünen Themen. Die Bekämpfung des Klimawandels ist künftig das Kooperationsthema mit dem größten Potenzial. Der neue Fünf-Jahres-Plan des Volkskongresses wird sehr wichtig sein – nicht nur für China, sondern für die gesamte Weltwirtschaft.

WirtschaftsWoche: Im Fünf-Jahres-Plan wird es auch um eine neues Entwicklungsmodell für China gehen. Bereiten Sie sich auf eine Entkopplung Chinas von der Weltwirtschaft vor, so wie es die USA vorantreiben?

Botschafter WU: Sie sprechen über das neue Entwicklungsmodell des dualen Kreislaufs. Das wird einer der Eckpfeiler des Fünf-Jahres-Plans sein. Einerseits konzentriert sich China künftig stärker auf die Binnenwirtschaft. Andererseits setzen wir uns dafür ein, dass sich Außen- und Binnenwirtschaft besser ergänzen. Das bedeutet, dass der Kreislauf oder der Austausch von Waren, Dientleistungen sowie Kapital mit dem Ausland auf ein höheres Niveau angehoben werden muss.

WirtschaftsWoche: Also kein Decoupling?

Botschafter WU: Nein, das wäre völlig verfehlt. Zur gleichen Zeit ist China dem RCEP, der größten Freihandelszone der Welt, beigetreten und hat die Verhandlungen über das Investitionabkommen mit der EU abgeschlossen.. Das zeigt, dass der doppelte Kreislauf keinesfalls ein geschlossener Binnenkreislauf werden soll, sondern ein offener Kreislauf mit der Weltwirtschaft. Aber mit einem stärkeren Binnenmarkt erhöhen wir die Resilienz unserer Wirtschaft gegen mögliche Schwierigkeiten wie Protektionismus, Unilateralismus oder Störungen bei globalen Lieferketten.

WirtschaftsWoche: Die Einreisebedingungen nach China sind wegen Corona extrem verschärft worden, fast ein Drittel der deutschen Unternehmen können nach einer AHK-Umfrage dort dringende Geschäfte und Serviceleistungen nicht mehr tätigen. Besteht die Chance, dass die strikten Bedingungen gelockert werden, wenn deutsche Besucher geimpft worden sind?

Botschafter WU: Ich habe in der Tat in letzter Zeit viele Zuschriften wegen dieses Problems erhalten. Normalerweise verfolgt China eine besucherfreundliche Einreise und Visapolitik. Aber wegen der Pandemie wurden internationale Reisen schwieriger geworden.Viele Länder haben einschränkende Maßnahmen bei der Einreise ergriffen Wann diese Regelungen gelockert oder aufgehoben werden können, hängt ganz wesentlich von der Entwicklung der Pandemie ab.

WirtschaftsWoche: Für die gegenseitigen Geschäfte ist das äußerst schwierig…

Botschafter WU: Deshalb bemühen wir uns um eine Sonderregelung für einreisende Geschäftsleute, um eine Art „fast track". Auf diese Weise sind 2020 bereits fast 3000 deutsche Geschäftsleute nach China eingereist. So lange die Pandemie nicht vorbei ist, halte ich es für sinnvoll, gemeinsame internationale Standards für Reisen zu setzen.

WirtschaftsWoche: Kann denn diese „Fast-track-Regelung" erweitert werden, etwa nach einer erfolgten Impfung?

Botschafter WU: Darüber müssen wir noch mit unseren deutschen Partnern reden. Im vergangenen Jahr sind zwar viele Deutsche nach China gereist, aber leider war das eine Einbahnstraße.

WirtschaftsWoche: Das heißt die Chinesen durften nicht nach Deutschland?

Botschafter WU: Wir hatten ja Schwierigkeiten und deshalb sehe ich da Gesprächsbedarf.

WirtschaftsWoche: Letzte Frage: Wissen Sie inzwischen, wo das Covid-19-Virus herkommt?

Botschafter WU: Die Rückverfolgung des Virus ist eine komplexe wissenschaftliche Angelegenheit, die eine Zusammenarbeit von Experten auf der ganzen Welt erfordert. China ist diesbezüglich immer offen und transparent in enger Kommunikation mit der WHO, gerade ist eine WHO-Delegation mit Experten in Wuhan. Es gibt immer mehr internationale Berichte, wonach das Virus in der zweiten Hälfte 2019 an mehreren Orten der Welt ausgebrochen sei. Das weist auf die Notwendigkeit und Dringlichkeit hin, ähnliche Besuche in anderen Ländern und Regionen zu planen.

 

Die Fragen stellten Beat Balzli und Daniel Goffart.

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