Interview des Generalkonsuls Feng Haiyang durch die "European Times" zur Europäisch-Chinesischen Eisenbahnmagistrale
2015/10/27

Am Vorabend des Chinabesuchs von Bundeskanzlerin Merkel gab die „European Times" anlässlich dieses Besuchs eine zweisprachige deutsch-chinesische Sonderausgabe heraus. Aus diesem Anlass gab der in Düsseldorf ansässige Generalkonsul der VR China Feng Haiyang ein Interview, hier der vollständige Wortlaut:

Die deutsch-europäische Güterzugverbindung lässt die Räder
der deutsch-chinesischen Kooperation sich noch schneller und noch besser drehen
 

European Times: Uns ist aufgefallen, dass Sie seit Ihrem Amtsantritt als Generalkonsul in Düsseldorf vielfach Ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen haben, die europäisch-chinesische internationale Güterzugverbindung möge die Räderder deutsch-chinesischen Kooperation sich noch schneller und besser drehen lassen. Worin ist dieser Wunsch begründet?

Feng Haiyang: Deutschland ist die Wiege der modernen Geografie; die Bezeichnung Seidenstraße wurde von dem deutschen Geografen Ferdinand von Richthofen geprägt. Vor 2000 Jahren war es gerade die Seidenstraße, die China mit dem fernen Europa verband; nun, 2000 Jahre später, ist es China, das im Sinne einer gemeinsamen Entwicklung und eines gemeinsamen Aufschwungs die Initiative für den Wirtschaftsgürtel Seidenstraße und die Seidenstraße auf dem Seeweg des 21.Jahrhunderts ergreift, und so der alten Seidenstraße neue zeitgemäße Bedeutung verleiht. Die europäisch-chinesische internationale Güterzugverbindung als Vorreiter der Überland-Magistrale des Wirtschaftsgürtels Seidenstraße ist eine wichtige Stütze für die Stärkung der Verbindung zwischen Europa und China. Derzeit bündeln sich von den europäisch-chinesischen Güterzugverbindungen, die bereits im „regulären Betrieb" laufen, 10 in Deutschland, davon haben 4 ihre Endstation und 1 eine Be- und Entladestation in der Stadt Duisburg in unserem Konsularbezirk. In Deutschland ist besonders unser Konsularbezirk ein wichtiger Knotenpunkt der europäisch-chinesischen Eisenbahnmagistrale. Wenn Deutschland und China gemeinschaftlich den Ausbau dieser Magistrale voranbringen, so bringt dies neuen Schwung und Wachstumspunkte für die deutsch-chinesische und auch die europäisch-chinesische Kooperation.

European Times: Warum bündeln sich so viele europäisch-chinesische Güterzug-Direktverbindungen in Deutschland?

Feng Haiyang: Weil Deutschland und China beim Aufbau der neuen Seidenstraße die Vorteile der „optimalen Voraussetzungen, der geographischen Lage und der Unterstützung der Menschen" haben.

Die optimalen Voraussetzungen sind dabei die allgemeine Lage und die damit verbundenen Möglichkeiten. Deutschland und China sind nicht nur zwei weltweit sehr einflussreiche Länder, sondern auch gleichzeitig zwei große Wirtschaftsmächte und Wachstumspole in Europa und Asien. Deutschland als „Antrieb" und „Stabilitätsanker" der europäischen Wirtschaft ist führend im europäisch-chinesischen Handel. Der Wirtschaftsgürtel neue Seidenstraße verbindet die beiden großen Märkte Europa und Asien, die europäisch-chinesischen internationalen Güterzugverbindungen verbinden die Warenflüsse zwischen Ost und West. Vor dem Hintergrund sich kontinuierlich vertiefender europäisch-chinesischer Wirtschafts- und Handelsbeziehungen bringen die Beschleunigung des Aufbaus der europäisch-chinesischen Magistrale und die Schaffung neuer Strukturen für die europäisch-chinesische Logistik goldene Zeiten für die deutsch-chinesische Zusammenarbeit bei einer gleichzeitigen weiteren Öffnung mit sich.

Die geographische Lage ist eine objektive Bedingung. So ist zum Beispiel das Bundesland Nordrhein-Westfalen, in dem unser Konsularbezirk gelegen ist, das wirtschaftlich am weitesten entwickelte Gebiet Deutschlands, aufgrund seiner wirtschaftlichen Kennzahlen nimmt es den Spitzenplatz unter den Bundesländern ein. In einem Radius von 500 km um die Landeshauptstadt Düsseldorf leben 156 Millionen Verbraucher, das ist ein Drittel der gesamten europäischen Bevölkerung, die fast über die Hälfte der Kaufkraft der gesamten EU verfügt. Als wichtiger Verkehrs- und Logistikknotenpunkt Deutschlands und sogar Europas erstreckt sich das Netz der Autobahnen, Eisenbahnstrecken und Wasserwege in alle Richtungen, und der im Bundesland gelegene Duisburger Hafen ist der größte Binnenhafen der Welt, von dem aus man über Flüsse die Meere erreichen kann, und zugleich das wichtigste Waren-Distributionszentrum Europas. Nordrhein-Westfalen ist von Natur aus begünstigt; seine reichlich vorhandenen guten Ressourcen wie Lage, Infrastruktur, Industrie und Kultur usw. sowie seine gegenseitigen Wechselwirkungen mit Europa machen es zunehmend zu einem wichtigen Dreh- und Angelpunkt für den Wirtschaftsgürtel Seidenstraße.

Die Unterstützung der Menschen ist die Einstellung der Bevölkerung. Bei meinen breit gefächerten Kontakten mit diversen Kreisen innerhalb meines Konsularbezirks spüre ich deutlich, dass immer mehr deutsche Partner mit Weitblick den Aufbau der neuen Seidenstraße als eine Chance für die Förderung der deutsch-chinesischen pragmatischen Kooperation erkennen. Vor nicht allzu langer Zeit war ich Gast der Deutschen Bahn Duisburg bei der Zeremonie zur Inbetriebnahme der europäisch-chinesischen internationalen Güterzugverbindung, bei der ein im Ruhrgebiet verkehrender Personenzug „Wuhan China" getauft wurde; auch das spiegelt wider wie der Aufbau der Seidenstraße gemeinsam angepackt wird und welche Hoffnungen darauf ruhen. Unsere Seite ist fest davon überzeugt, dass der „Puls" der Arterie zwischen der chinesischen und europäischen Eisenbahn sich kontinuierlich verstärken und ganz sicher für alle Beteiligten noch mehr Früchte aus dem gemeinsamen Aufbau mit sich bringen wird.

European Times: Können Sie die tatsächlichen Vorteile konkret benennen?

Feng Haiyang: Zunächst einmal ist der Schienentransport mindestens um die Hälfte billiger als der Lufttransport, außerdem spart er verglichen mit dem Seetransport ein Drittel der Zeit. Zusätzlich zu den Vorzügen, die Güterzugverbindungen in punkto Distanz, Geschwindigkeit, Preis usw. im Vergleich haben, sind sie auch noch „grün" und umweltschonend, und haben relativ geringe Auswirkungen auf die natürliche Umgebung usw.; sie haben sich allmählich zum Rückgrat der Überlandtransporte in der Logistik entwickelt, und entsprechen den Anforderungen an die Entwicklung der modernen Logistik. Derzeit verkehren Güterzüge wie der „Yuxinou" u.a. bereits in beide Richtungen im regulären Betrieb. Auch andere Zugverbindungen verkehren zunehmend häufig. Dabei sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die chinesische Provinz Yunnan, die im Knotenpunkt des chinesischen und auch südostasiatischen und südasiatischen Wirtschaftskreises liegt, ebenfalls bereits eine europäisch-chinesische internationale Güterzugverbindung aufgebaut hat, die sich allmählich auch zu einer Logistiktransportverbindung in Richtung Süd- und Südostasien entwickelt hat. Auch die schon seit langem geplante Eisenbahnstrecke „Trans-Asian Railway" (TAR) wird nun Schritt für Schritt in die Tat umgesetzt, und es steht zu hoffen, dass die in alle Richtungen verlaufenden internationalen Eisenbahnmagistralen sich zu goldenen Korridoren für die Logistik zwischen Europa und Asien entwickeln werden. All dies ist zweifellos vorteilhaft für Deutschland als internationale Handelsmacht bei der Ausweitung seines Im- und Exports und Nordrhein-Westfalen als weltweit stärkstes Logistikzentrum bei der weiteren Entfaltung seiner Dynamik.

Zweitens muss gemäß dem Top Level Design der Planung für den Aufbau des Wirtschaftsgürtels neue Seidenstraße der chinesischen Seite in der Aufbauarbeit vorrangig das Prinzip der gemeinsamen Diskussion, des gemeinsamen Aufbaus und des gemeinsamen Profitierens gewahrt und aktiv die Entwicklungsstrategien der Staaten entlang der Bahnstrecken miteinander verknüpft werden. Seit der Inbetriebnahme der europäisch-chinesischen Güterzugverbindungen haben sich die Regierungsbehörden und Unternehmen Chinas und der Anrainerstaaten gemeinsam aktiv beim Aufbau einer reibungslosen, sicheren und effektiven Eisenbahnmagistrale engagiert und das Zollabfertigungsmodell „OneStop-Zolldeklaration, One-Stop-Inspektion, Zollabfertigung für die gesamte Strecke" umgesetzt sowie ein IT-Kommunikationssystem zwischen den Schienenstrecken der einzelnen Länder und ein System zur schnellen Reaktion auf plötzlich auftretende Unfälle aufgebaut; die „Yuxinou"-Linie hat über das von der Chongqinger Stadtregierung gemeinsam mit den Eisenbahngesellschaften von China, Deutschland, Russland und Kasachstan als „Vier Länder, Fünf Parteien" betriebene Unternehmen Yuxinou (Chongqing) Logistics die Wahrnehmung gemeinsamer Interessen umgesetzt, und so ein neues Modell für die internationale Kooperation im europäisch-asiatischen Eisenbahntransport geschaffen. Der Aufbau der neuen Seidenstraße als gemeinsame „Symphonie" aller Beteiligten wird derzeit kontinuierlich weiter fortgeschrieben.

Drittens liegt ein Schwerpunkt des Aufbaus der neuen Seidenstraße in der Zusammenarbeit bei Investitionen und Handel. Nordrhein-Westfalen in unserem Konsularbezirk ist ein deutscher „Doppel-Champion", sowohl im Bezug auf den Handel mit China als auch die bilateralen Investitionen; derzeit sind bereits über 850 chinesische Unternehmen hier ansässig. Der Aufbau des Wirtschaftsgürtels neue Seidenstraße und die Eröffnung der europäisch-chinesischen Eisenbahnmagistrale helfen bei der Optimierung der Handelsmodalitäten der Unternehmen in den Anrainerstaaten und der Erschließung internationaler Märkte, zudem fördern sie den Aufbau von eng am Markt orientierten Produktionsketten und Industrieclustern und reduzieren die Betriebskosten von Auslandsinvestitionen der Unternehmen aus den Anrainerstaaten. Vor diesem Hintergrund investieren chinesische Unternehmen mit wachsender Begeisterung in aufstrebende Branchen in Deutschland und besonders in Nordrhein-Westfalen, und neue Modelle für die Zusammenarbeit zwischen einigen Banken und Unternehmen im Dienste des Aufbaus der neuen Seidenstraße entstehen genau im richtigen Moment. Im nächsten Monat wird die Bank of China mit ihrer Zweigstelle Chongqing in Düsseldorf eine Kontaktbörse für die Zusammenarbeit zwischen Chongqing und Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen bei Investitions- sowie Wirtschafts- und Handelsprojekten veranstalten, an der fast 50 chinesische Unternehmen teilnehmen werden. Soweit wir wissen, haben einige chinesische Unternehmen in Nordrhein-Westfalen eine länderübergreifende E-Commerce-Plattform geschaffen und einige bauen mit vereinten Kräften ein Warendistributionszentrum auf, um Lagerung und Logistik usw. zu entwickeln. Die stimulierende Wirkung des Aufbaus der neuen Seidenstraße auf die deutsch-chinesische Wirtschafts- und Handelskooperation liegt auf der Hand.

Zudem verstärkt der Wirtschaftsgürtel neue Seidenstraße auch die umfassende Zusammenarbeit zwischen Ländern und Regionen in den Bereichen Bildung, Tourismus, Kultur usw., für den Prozess der Stärkung des Austausches und der Freundschaft zwischen den Völkern ist es erforderlich, dass sich die beiden Räder Wirtschaft und Handel und Kultur gemeinsam drehen. Ich habe gehört, dass „Yuxinou" derzeit erwägt, im nächsten Jahr zwischen Deutschland und China testweise Personenreisezüge fahren zu lassen. Man kann erwarten, dass die Förderung des Aufbaus einer europäisch-chinesischen Eisenbahnmagistrale im Rahmen von „One Belt - One Road" für die Bevölkerung Deutschlands und Chinas für den Austausch und das gegenseitige Lernen neue Brücken bauen wird.

European Times: Wir haben gehört, dass die europäisch-chinesische Güterzugverbindung in der Realität mit einigen Problemen konfrontiert ist. Was meinen Sie dazu?

Feng Haiyang: Es gibt in Deutschland und China ein Sprichwort, das hier sehr gut passt, es lautet: „Aller Anfang ist schwer", ein anderes lautet: „Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt", das sind Metaphern dafür, dass man, um etwas Großes schaffen zu können, damit beginnen muss, dass man eine gute Basis schafft, von der man ausgehen kann. Die europäisch-chinesische Eisenbahnmagistrale als neue Plattform für den Aufbau der neuen Seidenstraße wird sich erst nach und nach auszahlen, aber ihre Entwicklungsperspektiven sind glänzend. Gleichzeitig sehen wir sehr deutlich, dass für den weiteren Ausbau und die weitere Stärkung der Magistrale sowie die Gewährleistung ihrer nachhaltigen Entwicklung aktive Bemühungen und harte Arbeit nötig sind. Besonders die chinesisch-europäische Verbindung befindet sich derzeit noch in der Marktentwicklungsphase, nicht nur müssen der Bekanntheitsgrad und die Glaubwürdigkeit noch erhöht werden, auch das Problem der Lagerung der Güter für den Rückweg harrt noch seiner Lösung. Aus diesem Grund wird die chinesische Seite unermüdlich inländische Ressourcen zu Rate ziehen sowie kontinuierlich die Rahmenbedingungen optimieren, um die entscheidende Rolle des Marktes bei der Ressourcenallokation und die zentrale Rolle der Unternehmen zur Geltung bringen zu können; das Festhalten an der weiteren Öffnung der Kooperation bedeutet, dass noch mehr Unternehmen, Organisationen und Kapital aus den Staaten entlang der Eisenbahnstrecke partizipieren und alle entsprechend ihren Stärken gleichermaßen teilhaben können; das Festhalten an beiderseitigem Nutzen und gemeinsamem Fortschritt bedeutet, dass man aktiv die Schnittpunkte der Interessen der Beteiligten und den größten gemeinsamen Nenner sucht. Das Düsseldorfer Generalkonsulat wird weiter unermüdlich durch die Stärkung der Kommunikation und Kooperation mit den zuständigen chinesischen Stellen sowie den entsprechenden Kreisen in Deutschland und dem Konsularbezirk anhand von Analysen der Lage und Vorschlägen für Maßnahmen mit ganzer Kraft für die europäisch-chinesische Güterzugverbindung werben, und die auf chinesischer Seite am Betrieb Beteiligten bei Angelegenheiten wie der Ausweitung des Kooperationsnetzwerkes mit dem In- und Ausland unterstützen, damit die europäisch-chinesische Eisenbahnmagistrale für die Beteiligten noch mehr Gewinne und Früchte der Zusammenarbeit mit sich bringt und eine starke Unterstützung für den Aufbau des Wirtschaftsgürtels neue Seidenstraße wird.

 

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